„Hier Anmelden zum schinden“, herrlich wenn man auf der Webseite schon so zur Teilnahme genötigt wird. Eigentlich kann et dann doch nur prima werden. Ich hatte auch schon viel vom Hannes gehört, aber war leider noch nie da. Gestern konnte ich der Rennempfehlung endlich Folge leisten und gehörtes nur bestätigen. Um halb sechs ging’s alleine los ins 200 Kilometer entfernte Emmelshausen und es wurde sogleich spannend! Mein Auto begrüßte mich mit einer orange leuchtenden Maulschlüssel-Funzel im Armaturenbrett. Wunderbar! Geblendet von dem Licht der dezenten Warnung ist man an dem Punkt wenigstens schomma wach und in ständiger Angst. Spätestens seit „Alarm für Cobra 11“, wissen wir ja schließlich wie schnell einem sone Karre umme Ohren fliegen kann und sich binnen Sekunden in ein loderndes Inferno verwandelt. Anscheinend war die Kiste aber auch bereit zum schinden, denn sie lief einwandfrei – bis zum Hannes vor die Haustür. Puh!
Angekommen war sogar noch massig Zeit. Kurz nomma über die Streckenlänge nachgedacht. Und kurz entschieden auf der Mittelstrecke (68km/1600km) zu bleiben. Schade! Durch die ausgeprägte Infrastruktur an Supermärkten war die Parksituation in Emmelshausen ein Traum. Es gab auch einen Sitzplatz mit Meeresrauschen?!? :D Sogar ein Abschleppdienst hätte später kein Problem mein Vierrad zu entsorgen – Gott sei Dank hatte ich ja noch ein Fahrrad dabei. Ich brauche schließlich noch ein paar größere Kilometerumfänge für die Transalp. An diesem Tag, sollten mir diese aber erspart bleiben. Noch mal puh!
Die Anmeldung war maximal 200 Meter entfernt. Beim Auspacken und Sachen Zusammensuchen brannte die Sonne schon so, wie es im späteren Tagesverlauf auch meine Beine UND Arme tuen sollten und ich war erfüllt mit größter Freude, als ich meine Radbrille aus der Tasche pflückte. Nicht! Dunkle Gläser. Ganz hervorragend Jule! Genau richtig für den lichtdurchfluteten Wald.
Nach dem kurzen Warmfahren war der Startblock (einer für alle und alle für einen) schon prall gefüllt. Mit dem Versprechen an die meisten die sich dort tummelten, dass ich sie nach dem Startschuss auch wieder vorbei lassen würde, arbeitete ich mich zumindest in die Mitte vor und versuchte herauszufinden welche Mädels wohl heute auch im Feld rumwuselten. Ich entdeckte Ilona Meter (Giant), die ich von vorne auch nicht erkannt hätte – weil noch nie von vorne gesehen. Die Rückansicht ist mir aber sehr wohl bekannt :D. Judith Mallmann (toMotion Racing by blacktusk) und Annette Kolf (Team Burn Baby). Da habe ich mich besonders gefreut – Ich hatte sie eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Annette hatte das Dauerlos auf’s (oberste) Treppchen als ich gerade begonnen habe, mich sportlich mit dem Rad durchs Gelände zu bewegen. Da ist die Bewunderung groß und anhaltend – sowas vergisst man natürlich nicht. :)
Nach dem Start ging gleich das Geballer los. Die Einführungsrunde schickte die 342 Schinderwilligen, schon nach wenigen Metern in den ersten ruppigen Feldweg, der in einer netten hubbeligen Wiese endete. Ilona machte ihrem Namen alle Ehre und machte Meter. Nix mehr zu sehen. Der Rest folgte – dachte ich und wusste nicht, dass auch sie nur folgte.
Hätte mein Rad auch ein Armaturenbrett mit elektronischem Warnsystem, hätte hier wohl das orangene Multitool geleuchtet. Rein ins Gelände und BÄÄÄM: Federgabel aufmachen und BÄÄÄÄM: Federgabel geht nicht auf. Leicht irritiert und außer Fassung zog es mich mit einem Schlenker fast noch ins Gemüse. Ein paar Mädels machten sich sogleich davon. Ein Defekt?!? Watt is datt denn?!? Dat watt kaputt geht, dat gab’s noch nie. Auch das mehrmalige, panikartige betätigen des Hebels veränderte die Situation nicht zu meinen Gunsten. Der Zug war gerissen. In dem Moment erinnerte mich an die verbalen Empfehlungen für den Schinderhannes, dessen Name mir wohl besonders alle Ehre machen sollte: „Viele Wurzeln, Wurzeltrails, Wurzelteppich, schnelle Downhills mit Wurzeln, dicke, große und rutschige Wurzeln, ruppige Wiesen (ohne Wurzeln dafür mit vielen Löchern) …“ und stellte mich auf ne richtige Schinderparty ein. Zugleich sah ich die Mädels in einer Gruppe auf einem Asphaltabschnitt davonfliegen, den ich kurz danach in Führungsarbeit allein im Wind bewältigen sollte. Keine 5 Kilometer und schon im Oasch! So mag ich das.
Beeilung war angesagt. Vor mir tauchte Judith Mallmann wieder auf, die wiederum zu Annette aufschloss und bei Kilometer 10 waren wir dann zu dritt. Geil! Ne Frauengruppe! Das ist ja fast wie Rennen fahren! Und ich erinnerte mich an wilde Rennberichte der Männer, in denen sich immer in spannenden Gruppen mit Führungswechsel ins Ziel gekämpft wird. Das wollte ich auch mal! Eine super Vorstellung die mir große Freude bereitete und ca. ganze 10 Sekunden anhielt. Immerhin! :D Dann ergriff Judith schon die Flucht. Ihr folgend wechselte ich mit Annette noch schnell ein paar Worte, in denen ich ihr meine entstandenen Fan-Sympathien zu Beginn meiner sportlichen Laufbahn gestand. Dass sie sich im Triathlon auch wohl fühlt, erklärte ihr Fehlen in den letzten Jahren. Kurz darauf ergriff ich dann die Flucht. Glücklicherweise nach vorne. Im Verfolgungswahn bin ich gefahren wie die wilde Wutz vom Schlachter gejagt. Oder war es der Schinder?
Die Abfahrten waren eine große Freude, besonders die schnellen mit den Wurzeln und Airtime. „GoGo Gadjetto Federgabelarme“, rief ich in den Wald. „GoGo Gadjetto träum weiter“ schallte es zurück. Es passierte dann auch nichts und so hüppte ich wie ein tonnenschwerer Flummi inner Murmelbahn die Trails hinab. Die Warnleuchten im mentalen Cockpit spielten Disco in allen Farben (gut, dass ich die dunklen Gläser dabei hatte) und die Geräuschkulisse ließ vermuten, dass das Bike in Kürze unter mir in tausend Teile zerbricht. Solange wollte ich mich aber anstrengen, möglichst schnell zu fahren und ließ auch die erste Futterstelle (km24) liegen. Bis dahin immerhin ein 21er Schnitt. Was der Hannes da für ne geile Achterbahn im Garten hat. Wuhuuu! Die Strecke macht fett Laune!!
Sogar nahezu ein Erlebnispark! Ne Wasserbahn gab et auch – Nasse Füße inklusive. Für die Pfützen “Typ Wasserloch” wär ein Schnorchel auch nicht schlecht gewesen. UND: wer Wiesen mag, wird Hannes lieben! Je nach Tempo variiert der Erlebnisfaktor sogar auf den “Ackertrails”. Von hoppeln bis springen kann man alles haben – also wenn die Beine mitmachen. Ich empfehle euch auch mal die Gabel starr zu stellen in so einer wilden Wiesenabfahrt. Interessantes Unterfangen! Mund dabei besser geschlossen halten! Nicht reden!
Der Verfolgungswahn lichtete sich dann irgendwann langsam und so etwas wie Erschöpfung drohte sich an. Bei Kilometer 34 hätte ich gern schomma vorsorglich zu ner geselligen Kollektivpause aufgerufen, aber es war niemand da. Also fuhr ich weiter und wurde dafür zum Dank von einer Frau überholt, dessen Name mir leider verborgen blieb. Sie vermittelte mir gekonnt das Gefühl im fahren zu stehen. Ich konnte sie daher gleich mit einem freundlichen „Tschüss“ begrüßen.
Im Anbetracht dieser Umstände hätte ich gern die nächste Verpflegung (km43) auch noch liegen lassen, aber durstig ist durstig und sicher ist sicher. Besser jetzt und danach gar nicht mehr. Hier fand ich dann auch die gesellige Kollektivpause – aber diesmal wollte ich eigentlich nicht! Die Herrschaften dort waren nicht so im Rennmodus, es wurde auch nichts gereicht. Also stehen bleiben, ausklicken, Pulle füllen. Der Versuch zu vermitteln, dass ich es schon etwas eilig hatte schien vergebens. Nach mehrmaligem Versuch meine Pulle an den Mann (mit der Iso-Gießkanne) zu bringen, wurde mein Erfolg schließlich mit „die Flasche ist ja noch halb voll“ honoriert. Ne Erklärung war mit dem Puls unmöglich, darum ließ ich es unkommentiert. Vielleicht auch besser so :D
Ab jetzt wurde es etwas zäher und langsamer. Damit ich mich noch möglichst lange schinden konnte, wirtschaftete ich den Schnitt auf 18 Komma irgendwas runter. Ich bemühte mich dies auf die Höhenmeter bergauf zu beschränken und weiterhin die Arme in den Abfahrten zu trainieren, was wohl noch ein paar Körner sparte um die letzten ekelhaften Rampen der Sorte „Grip not found“ zu bezwingen. Nur nicht auf den letzten Metern noch schlapp machen – ruppige Schinderei :) Danke liebe Gabel! „Meter“ war dann hier auch das Stichwort. Ein Kilometer vorm Ziel tauchte Ilona Meter vor mir auf. Halluzinationen kurz vorm Finish „Jetzt geht es mit mir zu Ende“, dachte ich, aber sie war es tatsächlich – warum auch immer: Egal! Ich suchte im Cockpit den Knopp für Attacke und ohne darüber nachzudenken, ob es schlau ist ihn zu drücken, hab ich mit aller Kraft draufgekloppt. Vorbeigemetert und ein Kilometer Vollgas! Wo war der Knopp die letzten 34 Kilometer?! Noch ein letzter kurzer Anstieg. Straße, Kurve, lustige Löcherwiese mit lustigen Zuschauern, Ziel. Am Ende sogar mit ner Minute Vorsprung, aber zugleich auch mit 21 Minuten Rückstand (Autsch – das ist nicht nur ne Welt, sondern ein ganzes Universum!) auf die Spitze, von der ich von vorne bis hinten, so gar nichts mitbekommen hab. Noch nicht mal in der Startaufstellung. Scheißbrille :D Wahnsinnstempo Mädels. Herzlichen Glückwunsch! Und was ich fast vergessen hätte! Wie geil ist es bitte, wenn einem auf der Strecke auch noch “Whooooho jule radelt” hinterhergerufen wird :D Mädels ich hab mich so riesig gefreut, dass könnt ihr euch gar nicht vorstellen!! Danke!!!
Stefanie Dohrn (3:20:01 MSV Steele) fuhr souverän einfach allen davon. Mit den Zeiten von Daniela Gerhards (3:20:37 RC Herschbroich/Radsport Breuer), Miriam Chelius (3:30:51) und Dina Dornauer (3:34:23 Tri Shop Saar) und mir (3:41:01), waren die Plätze in der Top 5 auch eindeutig vergeben. Mit meiner Zeit war die Streckenwahl für’s Treppchen leider zu kurz, oder zu lang :) … Ich komme gern im nächsten Jahr wieder zum Schinden.
1. Stefanie Dohrn 1992 f MSV Essen – Steele 2011 3:20:01,0
2. Daniela Gerhards 1982 f RC Herschbroich/Radsport Breuer 3:29:37,0
3. Miriam Chelius 1985 f 3:30:51,0
4. Dina Dornauer 1989 f Tri Shop Saar 3:34:23,0
5. Julia Schwarz 1985 f BMC Development Team / ERG 1900 e.V. 3:41:09,0
6. Ilona Meter 1978 f Giant dealerteams 3:42:17,0
7. Annette Kolf 1981 f Team Burn Baby 3:45:26,0
8. Judith Mallmann 1971 f toMotion Racing by blacktusk 3:51:45,0
9. Pia Gramlich 1968 f Power Unit Sportsequipment 3:54:29,0
10. Jutta Hofmann 1968 f 3:54:45,0
11. Jana Schemmer 1988 f RSV Unna 3:57:48,0
12. Raquel Mundim Walty 1978 f 4:10:00,0
13. Claudia Andreas 1977 f Multisport Team Wein 4:11:36,0
14. Christine Sohn 1973 f X-SPORT Kastellaun 4:12:09,0
15. Anne Gassner 1988 f MTB Rhein Berg e.V. 4:13:57,0
16. Sonja Wietzorek 1960 f 4:14:12,0
17. Helena Benz 1974 f Team KettenKnecht 4:22:21,0
18. Birgit Hell 1975 f 4:33:53,0
19. Beate Winters 1967 f Rjwielpaleis Bilthoven 4:34:07,0
20. Veenstra Muyje 1966 f 4:50:46,0
21. Casandra Walters 1987 f Cranks n’ Chains 4:51:09,0
22. Elma Bijsterbosch 1970 f 5:02:50,0
23. Ellen Kreis 1967 f SV Poseidon Limburg 5:17:04,0
24. Claudia Nickels 1968 f Brand Riders 6:13:33,0
Ergebnisse
du bist und bleibst die “geilste”. wenn ich nicht verheiratet wäre würde ich sagen ich liebe dich. :-) :-) tolle leistung und noch tollerer bericht.
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